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Vorgeschichte des NAT-Verlags
Unser Start als Kommilitonen und ArbeitskollegInnen
Ende der 1970iger Jahre lernten sich die heutigen Gesellschafter des NAT-Verlages in der „Aphasie-AG“ kennen, als sie noch Studierende bzw. Doktoranden an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt waren. Alle drei waren wir in der Literaturwissenschaft gestartet und später in der Linguistik gelandet, für die damals Frau Professor Dr.Helen Leuninger stand, die das Talent hatte, ihre Studierenden für das Sammeln und Auswerten von Daten, das Erdenken von Studiendesigns und das Diskutieren über Sprach-Modelle z.B. der „Chomsky-Schule“ zu begeistern. Sie war es auch, die für fortgeschrittene Studierende die sogenannte Aphasie-AG eingerichtet hatte, in der man sich wöchentlich abends mit den oben genannten Themen intensiv auseinandersetzte. Von hier aus wurde eine Zeitschrift, die „Frankfurter Linguistische Forschungen“ (flf) gestartet. Frau Dr. Zeh-Hau, die in dieser Zeit ihr Studium mit Promotion beendete, war bereits in einer Rehaklinik tätig, deren Chefarzt Dr. Schneider gerade begonnen hatte, mit großem Pioniergeist und Elan einen rehabilitativen Schwerpunkt mit einer qualifizierten sprachtherapeutischen Abteilung neu aufzubauen.
Im Laufe der Jahre wurden aus den drei Kommilitonen drei Arbeits-KollegInnen als Teil eines Teams akademischer Sprachtherapeuten und später drei Verlagsinhaber.
Chomsky, ebenso wie die amerikanischen Aphasiologen bewegte auch die wissenschaftlichen Diskussionen in anderen linguistischen Kreisen in Deutschland. Von einem interdisziplinären Team aus Neurologen, Psychologen und Linguisten, unter ihnen auch der Linguist Walter Huber, später Professor Dr. Huber, der uns bald persönlich begegnete, wurde 1983 der erste moderne, neurolinguistisch fundierte deutschsprachige Aphasie-Test bei Hogrefe herausgebracht. In Aachen wurde in der Folge auch eine ganz einmalige Einrichtung für die Diagnostik, Behandlung und Erforschung von Aphasien an der Universitätsklinik der RWTH eingerichtet, die berühmte „Aphasie-Station“.
Neben der Arbeit in der Klinik entwickelten wir kontinuierlich zusätzlich neue Aufgabenformate für unsere Patienten, um sie nicht mit unspezifischen oder für kindliche Sprachstörungen gestalteten Aufgaben behandeln zu müssen.
Bald hatten wir unseren ersten Titel, eine über 120 Seiten starke Sammlung von Arbeitsblättern zum Thema lexikalisch-semantische Störungen, inhaltlich fertiggestellt, ein infrage kommender Verlag (Marhold) hatte dieses Manuskript jedoch abgelehnt. Daher ergriffen wir die Gelegenheit, Prof.Dr.Walter Huber und seinem Team in Aachen bei einem Besuch der Aphasiestation diese von uns entwickelte Aufgabensammlung vorzulegen und unser Konzept einer losen Blattsammlung mit Kopiervorlagen zu erläutern. Die Verwendung von Kopiervorlagen hatten wir aus dem Schulbuchbereich abgeschaut, und die für die Praxis ideale Handhabbarkeit des Materials, die auf diese Weise in einer Welt ohne Computer entstand, überzeugte vom ersten Tag an unsere KundInnen. Walter Huber ermutigte uns, auf diesem Weg weiterzugehen und machte mit Hinweis auf eigene (nicht nur gute) Erfahrungen mit Verlagen den Vorschlag, es doch zunächst als Selbstverlag zu versuchen. Außerdem unterstützte er uns dabei, unser Material von nun an regelmäßig im Rahmen einer Jahrestagung der damaligen DGNKN (Deutsche Gesellschaft für Neurotraumatologie und Klinische Neurorehabilitation e.V.) und später bei der GAB („Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung“) in begleitenden Ausstellungen zu zeigen.
Verlagsgründung
Viele Menschen mit Know-how in unserer persönlichen Umgebung unterstützten uns bei dem Vorhaben, selbst einen Verlag zu gründen und zu betreiben, und so konnten wir 1992 unseren ersten Titel „Lexikalisch-semantische Störungen“ im eigenen Verlag „Neurolinguistische Aphasietherapie – NAT-Verlag“ veröffentlichen. Die zunächst teils skeptische Community, in der damals noch Konkurrenz unter den sprachtherapeutischen Berufsgruppen und zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen, die nun kooperieren mussten, herrschte, begann, sich für unser verlegerisches Konzept zu interessieren. Durch die Gründung eines eigenen Berufsverbandes der Klinischen Linguisten (BKL e.V.) 1988, der damals eine Berufsgruppe von nur etwa 300 Menschen in ganz Deutschland vertrat, gelang es zunehmend, Kollegen und Kolleginnen, die wir nun persönlich kannten, für die Zusammenarbeit mit uns zu gewinnen. Dieser Verband war stark international vernetzt, so dass bald niederländische KollegInnen auf uns zukamen, die unseren ersten Titel übersetzen wollten. In der Folge brachten wir „Lexikalisch-semantische Störungen“ 1995 auf Niederländisch heraus, und es folgte später auch noch eine niederländische Fassung des Bands „Bild-semantische Störungen“, bis schließlich 1999 auch eine englischsprachige Fassung von „Lexikalisch-semantische Störungen“ erschien. 2004 schließlich erschien bei uns eine Übertragung des niederländischen Bandes „action“ von R.Bastiaanse et.al., der die verstärkte Hinwendung von wort- zu satzlinguistischen Phänomenen in unserem Programm markierte.
Wir engagierten uns stark im BKL e.V., unter anderem für die Möglichkeit der Niederlassung Klinischer Linguisten, die nach jahrelangen Anstrengungen auch erreicht wurde, und pflegten den Austausch mit KollegInnen an vielen deutschen Rehakliniken. Aus diesem Kontext entstanden Veröffentlichungen therapeutisch tätiger KollegInnen aus Sprachtherapie und Neuropsychologie, vor allem aus Süddeutschland, die unsere AutorInnen wurden, sowie z.B. auch von Prof.Dr.Gerhard Blanken (damals noch in Freiburg, später in Erfurt). Der Titel von G.Blanken und therapeutisch tätigen Kollegen, „Wortproduktionsprüfung“, ein Diagnostikum auf Wortebene, hatte z.B. schon jahrelang als „Schubladenmanuskript“ unter KollegInnen kursiert.
Wachstum
Inzwischen existieren neben Logopädischen Fachschul- und Fachhochschul-Ausbildungen und Studiengängen im Bereich der Sprachheilpädagogik (zum Beispiel in Köln und München) auch moderne universitäre Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschlüssen in Klinischer Linguistik/Patholinguistik, z.B. in Bielefeld, Potsdam und Marburg. Diese Berufsgruppen sind inzwischen stärker zusammengewachsen und gemeinsam in Praxis und auch Forschung tätig. Und akademische Sprachtherapeuten haben sich 2021 endlich in einem gemeinsamen Berufsverband (DBS e.V.) zusammengeschlossen.
Vor dem Hintergrund dieser kollegialen Vernetzung, der eigenen wissenschaftlichen und therapeutischen Arbeit im Bereich der Aphasie und dem zunehmenden Interesse gut ausgebildeter Linguisten und Logopäden an der Professionalisierung ihres therapeutischen Berufes durchlief die deutsche Aphasiologie in den Jahren seit 2000 viele Veränderungen, die sich auch in unserem Programm widerspiegelten. Frau Professor Dr.Martina Hielscher-Fastabend in Bielefeld und ihr Team hatten über Jahre ein neues, umfassendes Aphasiediagnostikum, „BIAS“ entwickelt und brachten es 2006 bei uns heraus. Der später erweiterte BIAS-Test in der jetzigen Version „Akut und Reha“ löste nach und nach den „Aachener Aphasietest“ in den Kliniken ab. 2008 kamen Frau Dr.Nicole Stadie aus Potsdam und ihr Team auf uns zu, und man bot uns in der Folge mehrere Kooperationen an. Insgesamt konnten wir dank der Zusammenarbeit mit den Studiengängen Bielefeld und Potsdam bislang 12 interessante diagnostische und therapeutische Titel veröffentlichen, die dort entstanden waren. Die Zusammenarbeit mit Bielefeld und Potsdam wird auch in Zukunft weitere Veröffentlichungen bei uns generieren.
Nach 2010 wurde auf Initiative der interdisziplinären Fachgesellschaft GAB (Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung) ein großes vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Forschungsprojekt im Bereich Aphasie gestartet, in dem KollegInnen aus ganz Deutschland an einer großen medizinischen „Versorgungs-Studie“ zusammenarbeiteten. Hieraus ist zum Beispiel der Diagnostik-Titel „KOPS“ von Dr.phil. Ralf Glindemann und seinen Münchner KollegInnen entstanden, der uns zur Veröffentlichung angeboten wurde und 2018 erschien. Dank der erwähnten Studie, die die Wirksamkeit von evidenzbasierter Aphasietherapie neu belegte, hat sich die Therapie-Realität in Deutschland für Aphasiker weiter verbessert. Auch die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Therapie und Selbsthilfe wurde in diesen Jahren auf eine neue Basis gestellt, auch dank des Engagements von Professor Dr.Walter Huber und trug dazu bei, dass zunehmend auch die partizipativen Aspekte der therapeutischen Arbeit stärkere Beachtung fanden.
Unser Titel „Menschen“ (2015) wäre ohne ein anderes jahrelanges Forschungs-Projekt, „narraktiv“ von Frau Professor Sabine Corsten an der Katholischen Hochschule Mainz nicht denkbar gewesen. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits Autorin bei uns, aber neu in Mainz, und hat über unsere therapeutischen Kontakte viele Probanden für ihr ebenfalls vom BMBF gefördertes Projekt rekrutieren können. Durch dieses Projekt kamen die Biografie-Arbeit und die Gruppentherapie als wichtige zusätzliche Bestandteile in die Aphasietherapie.
Praktische Verlagsarbeit
Die komplette Verlagsarbeit wurde von uns kontinuierlich seit Beginn der 90iger Jahre parallel zu unserer (damaligen) beruflichen Tätigkeit als TherapeutInnen ohne Mitarbeiterinnen bewältigt. Lediglich eine Grafikerin, die uns fast vom ersten Tag an in vielen Projekten begleitet hat und die selbst als Logopädin in der Aphasietherapie tätig war und ist, suchten und fanden wir mit Hilfe eines Kollegen, der ebenfalls Autor bei uns ist.
Nach über 30 Jahren kontinuierlicher verlegerischer Tätigkeit können wir mit einem breiten diagnostischen und therapeutischen Programm aufwarten, das zuverlässig seine Kunden und Kundinnen findet und zu dessen Autorenteam immer wieder neue Gesichter hinzukommen.